Do., 01. Sept.
|Grüner Jäger | Jägerlounge
The Marble Man
"LOUISIANA LEAF, das vierte Album von The Marble Man, klingt wie ein Musik gewordener Film Noir. Alles atmet schönen Verfall. Die Songs folgen dabei einer ganz eigenen Zeitrechnung. "
WANN UND WO?
01. Sept. 2022, 20:00
Grüner Jäger | Jägerlounge, Neuer Pferdemarkt 36, 20359 Hamburg, Deutschland
WAS ERWARTET MICH?
Einlass: 19:30 Uhr
Beginn: 20:00 Uhr
Tickets
15,00€ (Abendkasse, nur Barzahlung möglich.)
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The Marble Man
"LOUISIANA LEAF, das vierte Album von The Marble Man, klingt wie ein Musik gewordener Film Noir.
Alles atmet schönen Verfall. Die Songs folgen dabei einer ganz eigenen Zeitrechnung. In
spartanischen Arrangements scheinen sie immer wieder unerwartet zu verharren und in einen
hypnotischen Stillstand zu verfallen. Zeit wird in solchen Momenten bedeutungslos. Getragen von
einem stoischen Bass und einem unbeirrbaren Schlagzeug, arbeitet diese Band wie eine
Reduktionsmaschine. Kein Ton zu viel. Das Ergebnis sind Stücke, die in kein Format-Korsett
gezwängt werden, sondern über die Ufer treten dürfen.
Als Josef Wirnshofer 2007 mit seinem Debütalbum SUGAR RAILS als The Marble Man auf den Plan
trat, beeindruckte nicht nur sein Gespür für zeitloses Songwriting und die betörende Leichtigkeit, mit
der der damals 19-jährige, zum Ohrenschlackern talentierte Songschreiber und Multiinstrumentalist zu
Werke ging. Es war auch die souveräne Sparsamkeit, mit der der gebürtige Traunsteiner seine Mittel
einsetzte. Da gab es kein effektheischendes Rekurrieren auf harmonische Einfälle, kein stolzes
Herumreiten auf gelungenen Refrains. Alles hatte sein Maß. Genauso auf LATER, PHOENIX..., das
der Wahlmünchner drei Jahre später nachlegte. Eine schier diszipliniert zu nennende
Zurückgenommenheit zeugte von einer Reife, Stilsicherheit und Klasse, die weiterhin auf Großes
hoffen ließ.
Und das folgte. 2013 erschien das dritte Album HAIDHAUSEN – erstmals mit der mittlerweile
fünfköpfigen Band aufgenommen. In dessen klanglicher Grandezza war gleichwohl auch dieser Wille
zur Reduktion spürbar: Statt Großpop-hymnisch aufzutrumpfen, was qua Songmaterial und
Klangkörper ohne Weiteres möglich gewesen wäre, feilte die Band an ihrem konzentrierten,
tintenschwarz funkelnden Sound. Verspieltheit und Ornamentik fanden praktisch nicht statt, dafür
Tiefgang und Gewicht.
Gut sieben Jahre nach HAIDHAUSEN und eine lange Reihe von Konzerten später gehen The Marble
Man diesen Weg der Expansion durch Reduktion weiter. Und der führt sie auf LOUISIANA LEAF tiefer
hinein in dunkle, kühle, nächtliche Regionen der Seele und des Sounds.
Da ist ein Stück wie „The Twins“, das wirkt, als müsse es erst noch auftauen und aus seiner Starre
erwachen, bevor die Erzählung Fahrt aufnehmen kann, um schließlich wie ein Schiff auf hoher See im
Sturm eines stetigen Crescendo zu versinken. Wir hören Nummern wie das erhabene „Totem“ mit
seinem New-Wave-Synth-Bass und seinen Galeeren-Trommeln, oder das versöhnliche „Ruby“ mit
seiner magischen Gesangslinie. Nackt und geheimnisvoll dagegen „Pusher Street“ mit seinem
schleppend triphoppigen Beat.
Für LOUISIANA LEAF brachte Josef Wirnshofer Songs mit in den Proberaum, Skelette, die die Band
dann gemeinsam in lustvoller Detailversessenheit mit Fleisch behangen hat. Aufgenommen haben
The Marble Man das Album mit Frank Mollena (Missouri, Bambi Davidson) im Lone Star Studio in
Nürnberg. Ziel war dort, vertraute Klangbilder zu umschiffen und den Songs einen eigenen Sound zu
verpassen. Heißt konkret, dass sich Michael Zahnbrechers Orgeln und Rhodes immer wieder ihren
Weg durch Effektketten und Tape Echos bahnen müssen. Oder dass Jonas Übelherrs Schlagzeug
Hand in Hand geht mit analogen Drumcomputern und Samples vom Windspiel bis zur zuschlagenden
Dixieklo-Tür. Daniel Mannfelds Gitarren kommen in Flächen und Wolken, bis zur Unkenntlichkeit
gehäckselt oder mit dem Geigenbogen gestrichen. Und Boris Mitterwiesers Bass pluckert
zwischendurch wie auf alten Bert-Kaempfert-Aufnahmen.
Gebaut ist diese Klangästhetik auf unverstellten Arrangements, die jedem Sound Raum lassen.
Kanten dürfen Kanten sein (man höre die beißenden Gitarren beim Opener „A Man We Knew“ oder
die kakophonischen Snares bei „Rowboats“), Fehler dürfen Fehler sein (bei „Ruby“ wurde das
Rauschen eines defekten Gitarrenamps kurzerhand in den Song integriert). Auf ähnlich
experimentellem Weg erhielt Josef Wirnshofers Gesang auf jedem Stück einen eigenen Sound – mal
mit regenschwerem Delay, mal wie aus weiter Ferne durchs Transistorradio, mal irisierend-schwebend
durch die Leslie-Box.
Mit LOUISIANA LEAF haben The Marble Man nicht nur einen selbstbewussten Schritt in Richtung
Unverwechselbarkeit getan. Sie haben Musik zu unserer Zeit geschrieben. Dieses Album ist weder
rückwärtsgewandt, noch drängt es nach vorne. Es spielt genau im Heute. Ideenreich und sicher in der
Wahl der Mittel. Und übrigens: Das titelgebende „Louisiana Leaf“ ist keine Teesorte und auch kein
Cannabis-Stamm, sondern ... das fragen Sie The Marble Man am besten selbst. Interviewanfragen
nimmt das Label Millaphon entgegen.